Pflichten für Verlage nach der Verordnung zur allgemeinen Produktsicherheit GPSR
Verlage müssen als Hersteller ihrer Bücher dafür einstehen, dass ihre Produkte sicher sind. Nach den neuen Regelungen müssen sie
- für ausnahmslos jedes Produkt eine interne Risikoanalyse durchführen und in einer technischen Dokumentation festhalten;
- alle Produkte mit vorgegebenen Informationen beschriften, die eine lückenlose Rückverfolgbarkeit und sichere Handhabung durch Verbraucher ermöglichen;
- insbesondere den Anbietern von Fernabsatz und Online-Marktplätzen Informationen zur Verfügung stellen;
- einen öffentlich zugänglichen Kommunikationskanal einrichten, der es Verbrauchern ermöglicht, Beschwerden einzureichen oder über Unfälle oder Sicherheitsprobleme mit einem Produkt zu informieren.
Die folgenden Details sind lediglich Empfehlungen, die der Börsenverein anhand von Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Verordnung erarbeitet hat – bisher fehlen Auslegungshilfen durch Durchführungshinweise von EU oder deutschen Marktüberwachungsbehörden, geschweige denn durch die Rechtsprechung.
Was ist eine interne Risikoanalyse?
Interner Vorgang, bei dem untersucht wird, ob irgendeine Eigenschaft oder ein Bestandteil des Buches/Produktes ein Sicherheitsrisiko für Verbraucher beinhalten könnte. U.a. sind zu berücksichtigen: verwendete Materialien; Produktergänzungen; vorhersehbare Wechselwirkung mit anderen Produkten; schutzbedürftige Zielgruppe; gelten spezifische Normen (nationale oder EU) oder besondere Sicherheitsanforderungen, z.B. Spielzeugrichtlinie, Sicherheitsanforderungen für Papier, Batterien, Mikropartikel etc. Wird ein Risiko festgestellt, so ist eine Lösung zur Beseitigung oder Minderung des Risikos zu erarbeiten. Das Ergebnis der Risikoanalyse und evtl. gewählte Lösung sind in die technische Dokumentation aufzunehmen.
Was ist die technische Dokumentation und was steht drin?
Schriftliche Unterlage, die die Risikoanalyse und -bewertung wiedergibt. Muss intern 10 Jahre lang aufbewahrt, aktualisiert und ggf. auf Verlangen den Marktüberwachungsbehörden vorgelegt werden.
Bestandteile der technischen Dokumentation sind:
- Allgemeine Beschreibung des Buches/Produktes (hierfür sind die für die VLB-Titelmeldung vorgehaltenen produktspezifischen Daten geeignet, z.B. ONIX-Elemente Produktform, Titel, Urheber, Größe und Gewicht)
- Für die Sicherheitsbewertung relevante, wesentliche Eigenschaften (z.B. Daten in den ONIX-Elementen Teilprodukte&Beigaben, Auflage, Publikationsort&Erscheinungsland)
- Besondere Risiken und ihre Lösung }ONIX-Element Warnhinweis für CE-Zertifizierungen und
- Einschlägige Normung }bes. Sicherheitsinformationen für einzelne Produktbestandteile
Es empfiehlt sich, auch Informationen über Auflagenart und Auflagennummer aufzunehmen und aktuell zu halten, denn in diesem Zusammenhang können auch Veränderungen in den Produktbestandteilen bei verschiedenen Druckchargen dokumentiert werden (z.B. Unterschiede in Papier, Farbe, Leim). Kommt es durch einen dieser Bestandteile zu einer potenziellen Gefahr für Verbraucher und zum Produktrückruf, so muss nicht die gesamte ISBN zurückgerufen werden, wenn die betreffende Druckcharge (im Impressum und korrespondierend in der technischen Dokumentation) eindeutig identifizierbar ist.
Welche Pflichtangaben müssen auf dem Produkt selbst stehen?
Bei Büchern dürfte das Impressum auf der Rückseite des Schmutztitels oder auch U4 ein geeigneter Ort für die Pflichtangaben sein. Diese sind:
- Die Daten des Herstellers:
- Name des Verlages – Firmenname, eingetragene Handelsmarke oder Imprint.
- Postanschrift des Verlages.
- E-Mail-Adresse oder anderweitige elektronische Adresse – die allgemeine URL der Verlagshomepage ist nicht ausreichend, es muss eine direkte Kontaktmöglichkeit bestehen.
- Alternativ: zentrale Anlaufstelle, unter der der Verlag zu seinen Produkten kontaktiert werden möchte, mit Postanschrift und elektronischer Adresse.
- Eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer zur eindeutigen Identifizierung des Produktes; hierfür dürfte die ISBN geeignet sein; bei mehreren Druckauflagen empfiehlt es sich, im Impressum zusätzlich die genaue Auflagennummer festzuhalten und korrespondierend dazu in der technischen Dokumentation die jeweiligen Produktbestandteile der Charge, sodass ein Produktrückruf auf die betroffene Auflage beschränkt werden kann.
- Hat der Hersteller keinen Sitz in der EU, muss der derjenige, der das Produkt in die EU einführt, zusätzlich als Einführer auf dem Produkt genannt werden (Firmenname, Postanschrift und elektr. Adresse).
Pflichtangaben für den Fernabsatz und Online Marktplatz
Der Fernabsatzanbieter ist für die Anzeige der Pflichtangaben verantwortlich. Liegen sie ihm nicht vor, so darf er das Produkt nicht auf dem Markt bereitstellen. Es ist daher im Interesse der Verlage, die Pflichtangaben präzise bereitzustellen, und zwar:
- Name, Postanschrift und elektr. Adresse des Herstellers, unter denen er kontaktiert werden kann (auch wenn der Hersteller keinen Sitz in der EU hat).
- Falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist, zusätzlich: Name, Postanschrift und elektr. Adresse der verantwortlichen Person im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 dieser Verordnung oder des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1020, das kann sein: der Einführer oder eine frei bestimmte (juristische) Person als Bevollmächtigter, z.B. die zentrale Auslieferung in Deutschland.
- Angaben die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, mindestens
- ISBN
- Abbildung des Produkts
- Produktart, wesentliche Produktbestandteile
- Titel, Autor und sonstige bibliographische Angaben soweit verfügbar
- Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen, wenn die Art des Produktes es erfordert oder sich aus spezielleren EU-Normen eine Verpflichtung ergibt.
- Bei einfachen Büchern entfällt diese Pflicht gem. Artikel 9 Absatz 7 Satz 2 in der Regel. („Diese Anforderung gilt nicht, wenn das Produkt auch ohne solche Anweisungen und Sicherheitsinformationen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden kann.“).
- Besondere Sicherheitsanforderungen können immer dann gegeben sein, wenn ein Buch besondere Beilagen oder Funktionen enthält oder für eine spezielle Altersgruppe bestimmt ist. Sie müssen dann hier angegeben werden (z.B. Produkt enthält Batterien, ist als Spielzeug CE zertifiziert und/oder enthält Warnhinweise, weil es gerade nicht für Kinder geeignet ist).
Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Kommunikationskanal
Bis zum Inkrafttreten der Verordnung stellen wir Ihnen folgende neue Felder im VLB zur Verfügung. Diese wurden im internationalen ONIX-Standard eingeführt und ermöglichen Ihnen, Kontaktdaten für Anmerkungen zur Produktsicherheit zu hinterlegen.
Pflichtfelder für Kontaktdaten gemäß der Verordnung:
· Firmenname
· Anschrift
· E-Mail-Adresse (optional Funktionsadresse)
Ergänzende, optionale Felder:
· Person
· Telefon
Erfahren Sie auf der für Sie auf den jeweiligen Hilfeseiten, wie Sie Ihre Daten per ONIX-Meldung, über den Excel Upload und über die VLB-Web-Oberfläche pflegen.
Sonstige Informationen:
- Betreffen die neuen Regelungen auch Backlisttitel?
Die Regelungen der GPSR gelten für alle Produkte, die ab dem 13. Dezember 2024 in Verkehr gebracht werden, also erstmals auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden. Bücher, die bereits vor dem 13. Dezember 2024 an den (Groß-)Handel ausgeliefert wurden, wurden schon vorher in den Verkehr gebracht. Bei den Büchern, die vor dem 13. Dezember bereits fertig gedruckt und auslieferbereit in den Warenlagern (intern oder extern) des Herstellers lagen, könnten die Marktüberwachungsbehörden der Meinung sein, dass diese noch nicht in Verkehr gebracht wurden und vom Hersteller vor einer Auslieferung nach dem 13. Dezember 2024 (dem erstmaligen Inverkehrbringen) entsprechend „nachgerüstet“ werden müssen, etwa durch Aufkleber oder Beilagen.
Nachdrucke oder Produkte im POD Verfahren müssen auf jeden Fall ab dem 13. Dezember die neuen Daten enthalten.
Das Gleiche gilt für die interne Risikoanalyse und technische Dokumentation. Für alle Produkte, die nach dem 13. Dezember 2024 die Einflusssphäre des Herstellers verlassen, muss die Risikoanalyse durchgeführt und die technische Dokumentation erstellt werden.
Die Daten für den Fernabsatz und Online-Marktplatz nachzuliefern, dürfte nach unserer Ansicht eine verhältnismäßige Anforderung für den weiteren Vertrieb der Altprodukte darstellen. - Die GPSR gilt nicht für E-Books, da diese nur für „Gegenstände“ gilt (Art. 3 Nr. 1).
- Die GSPR gilt auch für Bücher, die zur ausschließlichen gewerblichen Nutzung konzipiert sind (z.B. Fachbücher), die jedoch über den Buchhandel auch Verbrauchern angeboten werden können.
- Welche Sicherheitsinformationen oder Warnhinweise braucht ein Buch?
In der Regel keine: Ein Buch ohne Beigaben oder ergänzende Funktionen hat in der Regel keine Bestandteile oder Eigenschaften, die ein mögliches Risiko für die Gesundheit von Verbrauchern darstellen. Gem. Art. 9 Absatz 7 Satz 2 brauchen Produkte, die auch ohne Sicherheitsinformationen und klare Anweisungen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden können, keine Hinweise.
Mehr Informationen finden Sie hier.
Danke für die Rückmeldung